Es sollte der Beginn goldener Zeiten werden, damals vor ziemlich genau 20 Jahren. In einem Hangar am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen präsentierte Fairchild Dornier mit großem Aufwand der Öffentlichkeit den ersten Prototypen des 728JET, eines 70-sitzigen Flugzeuges, das den Regionalluftverkehr revolutionieren sollte. Doch wenig später ging der traditionsreiche Hersteller, basierend auf der alten Dornier Luftfahrt, in die Insolvenz. Das ehemalige Testflugzeug ist am Ende nie geflogen und dient heute als ein Versuchslabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt(DLR).
Einige der alten Hallen sind längst abgerissen worden, doch ein Hangar ist übrig geblieben. Und dort könnte sich nun 20 Jahre nach dem letzten Versuch, die Produktion eines Dornier-Flugzeuges hochzufahren, die Geschichte fortsetzen. In dem Hangar steht seit Jahren der Rumpf einer Dornier 328, irgendwann angefangen von einer der Nachfolgegesellschaften des insolventen Herstellers. Er soll die Basis sein für ein neues, altes Flugzeugprogramm, das auf dem alten Dornier-Know-How basiert und gleichzeitig als eines der ersten Projekte umweltverträglicheres Fliegenermöglicht.
Wenn alles klappt, wie sich der aktuelle Eigentümer der 328-Linie, Deutsche Aircraft, das vorstellt, dann wird der alte Rumpf demnächst zersägt. An zwei Stellen werden anschließend zusätzliche Segmente eingefügt, am Ende alles wieder zusammengefügt. Entstanden wäre dann der erste Prototyp der D328eco, eines "neuen" Propeller-Regionalflugzeuges und mutmaßlich eine der ersten Maschinen, die für einen aus grünem Wasserstoff entwickelten synthetischen Kraftstoff zugelassen ist. Der CO2-Ausstoß eines solchen Flugzeuges wäre um etwa 95 Prozent geringer als es bei fossilem Kerosin der Fall ist, vorausgesetzt es gibt bald genügend synthetischen Treibstoff. Wegen der geplanten Neuauflage fliegt eine Maschine zur Luftfahrtmesse ILA nach Berlin, die an diesem Mittwochbeginnt.
Die Produktion wird in Leipzig angesiedelt
Die Geschichte der Dornier 328 ist lang und turbulent. Geflogen ist der 32-sitzige Turboprop zum ersten Mal im Jahr 1991, damals war er technologisch wegen seiner komfortablen Kabine und den modernen Tragflächen seiner Zeit voraus. Kommerziell war er, da teuer und zu klein, dennoch kein Erfolg. Nachdem Fairchild die Firma Dornier übernommen hatte, wurde aus dem Propellerflugzeug ein Düsenjet, weil es dem Zeitgeist entsprach und man sich eine höhere Nachfrage erhoffte. Doch die alten Problemeblieben.
2015 kaufte das amerikanische Luftfahrtunternehmen Sierra Nevada Corporation (SNC) die 328 Support Services GmbH, die das Wartungsgeschäft für die Flotte weiterführte und alle Lizenzen hielt. Ursprünglich wollte Sierra Nevada das Programm mit einer neuen Endmontagelinie in der Türkei wieder aufleben lassen, doch nach dem gescheiterten Militärputsch 2016 war das Thema schnell wieder vom Tisch. 2019 gab das mittlerweile in Deutsche Aircraft umbenannte Unternehmen erste Pläne für die D328eco bekannt. Die Endmontagelinie wird dank der wirtschaftlichen Anreize des Freistaates Sachsen in Leipzig gebaut, die Firmenzentrale und die Entwicklungsabteilung bleiben aber inOberpfaffenhofen.
Die D328eco wird mit 40 Sitzen etwas größer sein als die alte Dornier 328. Das Flugzeug bekommt neue Triebwerke des Typs Pratt & Whitney PW127XT-S, die auch für synthetischen Sprit zugelassen werden sollen. Deutsche Aircraft-Chef Dave Jackson rechnet damit, dass die D328eco pro Sitz bis zu 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen wird als die alten Turboprops, die sie ersetzen soll, und sogar rund 40 Prozent weniger als kleine Regionaljets. Das Modell bekommt auch neue Elektronik für das Cockpit, die den Betrieb mit nur einem Piloten ermöglichen soll, wenn die Flugsicherheitsbehörden wie die European Union Aviation Safety Agency (EASA) und die US-Federal Aviation Administration (FAA) das erlauben. Auch Fahrwerk und andere Komponenten werdenerneuert.
Noch vor einem guten Jahr waren in Oberpfaffenhofen nur etwa 150 Mitarbeiter im Wesentlichen in der Wartung beschäftigt, doch mittlerweile sind es 320, und jeden Monat kommen Programmchef Nico Neumann zufolge rund 20 dazu, die meisten von ihnen Ingenieure. In den nächsten Monaten soll das Projekt ernsthaft Fahrt aufnehmen, mit dem Baubeginn an dem Prototypen und der neuen Fabrik in Leipzig. Die ersten D328eco sollen dann 2026 ausgeliefert werden, nachdem die Deutsche Aircraft gerade angekündigt hat, dass es mit dem ursprünglichen Termin 2025 doch nichts wird. Der Prozess, als neuer alter Hersteller Verträge mit den Lieferanten zu schließen, ist mühsam, die Pandemie hat sowieso alles noch kompliziertergemacht.
Der Turboprop-Markt ist überschaubar
Die übergeordnete Frage geht weit über Deutsche Aircraft und das Flugzeug hinaus. Es geht darum, welche Zukunft überhaupt die regionale Luftfahrt hat und wie diese aussehen könnte. Der Markt der Turboprop-Flugzeuge ist de facto ein Monopol: ATR, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und dem italienischen Luftfahrtkonzern Leonardo, ist derzeit der einzige Hersteller, obwohl Turboprops deutlich spritsparender sind als Regionaljets. Embraer, der brasilianische Flugzeugbauer, erwägt seit Jahren, einen neuen Turboprop zu entwickeln, um ATR ein wenig Konkurrenz zu machen. Doch die Lage ist kompliziert, denn die Regionalluftfahrt wird voraussichtlich die Sparte sein, in der sich neue Technologien als erstes durchsetzen. Wasserstoff-Flugzeuge werden aller voraussichtlich nach erst in der Kategorie bis zu 100 Sitzen realistisch sein, bevor sie eines Tages auch Airbus A320 oder Boeing 737 mit 150 bis 240 Sitzen ersetzenkönnen.
Airbus selbst will ein solches Flugzeug 2035 auf den Markt bringen. Am unteren Ende der Skala arbeiten viele Start-ups an elektrisch angetriebenen Maschinen, die wenige Passagiere über kurze Strecken transportieren können. Deutsche Aircraft zielt auf das klassische Regionalsegment ab, in dem viele alte Flugzeuge ausgemustert werden müssen, unter anderem auch mehr als 100 noch fliegende Dornier 328 der ersten Generation und 328JET. Die Frage ist nur: wie groß ist der Markt, und wie lange dauert es, bis auch dort neue Technologien konventionelle Maschinenablösen?
Auch die Deutsche Aircraft arbeitet an neuen Konzepten, so etwa mit der kalifornischen Universal Hydrogen und dem Stuttgarter Start-up H2Fly an Ideen rund um einen Wasserstoff-Antrieb, der nachgerüstet werden könnte, wenn die Zeit reif ist. Doch eine bittere Lehre der Fairchild Dornier-Pleite war, dass sich das kleine Unternehmen in viel zu vielen Projekten gleichzeitig verzettelt hatte und am Ende sowohl inhaltlich als auch finanziell überfordert war. Das soll nicht noch einmalpassieren.